In einem meiner vorigen Posts sprach ich über die Megatrends, die sich auf unsere Arbeitsweise auswirken werden. Themen wie Urbanisierung, die «Silver Society» und die zunehmende Individualisierung führen zu einem immer flexibleren Arbeitsmarkt. Doch warum ist das von Bedeutung, und was genau bedeutet Flexibilität mit Blick auf die Arbeit?

Die «Flexibilisierung» der Arbeit vollzieht sich in mehreren Dimensionen. Mit anderen Worten wirkt sie sich gleichermassen auf Staaten, Unternehmen und Individuen aus. Gesamthaft betrachtet müssen sich die einzelnen Länder auf eine neuartige Nachfrage durch eine sich wandelnde Wirtschaft einstellen. Hierzu müssen geeignete Programme und gesetzliche Regelungen unterstützt, verabschiedet und umgesetzt werden. Beispielsweise könnte es darum gehen, eine verstärkte Mobilität pendelnder Arbeitnehmer zu ermöglichen und die Verkehrsinfrastrukturen zwischen Regionen zu verbessern.

Auf Mikroebene wird der Schwerpunkt darauf liegen, Bedürfnissen und Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gerecht zu werden, um die unberechenbaren Konjunkturschwankungen angemessen abzufedern. Möglicherweise hast auch du schon bemerkt, dass Unternehmen immer mehr bemüht sind, schlanker, agiler und wettbewerbsfähiger zu werden. All das sind Antworten auf die zunehmende Flexibilisierung der Arbeit.

Arbeitnehmern ermöglicht die Flexibilisierung, ihren Zeitplan, ihr Arbeitsumfeld und ihre Arbeitslast eigenständig auszugestalten. Je nach den persönlichen Lebensumständen kann eine flexible Beschäftigung eine vorübergehende oder dauerhafte Lösung darstellen, um Geld zu verdienen, persönliche Freiheit zu bewahren und finanziell unabhängig zu bleiben.

Formen der Flexibilität

Arbeit kann in vielerlei Hinsicht flexibel sein. In einem von Peter A. Reilly im European Journal of Work and Organization Psychology veröffentlichten Artikel wird zwischen fünf verschiedenen Arten flexibler Beschäftigung unterschieden:

  1. numerisch
  2. funktional
  3. zeitlich
  4. räumlich
  5. finanziell

Numerische Flexibilität bezeichnet die Anpassung der Zahl der Beschäftigten an den Bedarf des Arbeitgebers. Einschlägige Beispiele sind Saisonarbeit und befristete Arbeitsverträge. Im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie im Bausektor ist die numerische Flexibilität seit Langem gang und gäbe. Doch da Megatrends wie Digitalisierung und Konnektivität die Arbeitswelt immer weiter verändern, ist zu erwarten, dass es auch in anderen Branchen vermehrt zu numerischer Flexibilität kommt. Auch dass Einstellungen nach Bedarf sowie das Outsourcing online-gestützter Tätigkeiten auf dem Vormarsch sind, ist als eine Form numerischer Flexibilität zu betrachten.

Funktionale Flexibilität bezeichnet das Ausmass, in dem sich Arbeitnehmer verschiedenen Aufgaben zuordnen lassen. Traditionelles Beispiel ist das Modell der Jobrotation, in deren Rahmen Arbeitnehmer je nach Arbeitsplan oder unternehmensinterner Nachfrage verschiedene Rollen wahrnehmen. In jüngerer Zeit beflügeln Unternehmen, die sich auf die Optimierung ihrer Leistungen und die Senkung der Gemeinkosten fokussiert haben, den neueren Trend der Rekrutierung von «Fullstack-Beschäftigten». Das sind nicht spezialisierte Arbeitnehmer, die ein ganzes Sammelsurium von Aufgaben wahrnehmen können. Dahinter verbirgt sich das Prinzip, dass eine geringere Spezialisierung die Flexibilität einer Organisation erhöht und dem Unternehmen eine kürzere Reaktionszeit ermöglicht.

Mit Blick auf die Arbeitnehmer verweist die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf einen direkten Zusammenhang zwischen funktionaler Flexibilität und der langfristigen Erhaltung von Kompetenzen. Ausserdem «steht die optimale Nutzung der Fähigkeit des Arbeitnehmers zur Ausübung verschiedener Aufgaben in einem positiven Verhältnis zu Kompetenzentwicklung und Entscheidungsfindung».

Zeitliche Flexibilität bezeichnet die Schwankung geleisteter Arbeitsstunden und festgelegter Arbeitszeiten. Beispiele für zeitliche Flexibilität sind Überstunden, flexible Arbeitszeit und Teilzeitarbeit. Da mehr und mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt strömen, ist der Anteil von Teilzeitbeschäftigten in der Schweiz inzwischen so hoch, dass die Eidgenossenschaft in Europa hinter den Niederlanden an zweiter Stelle rangiert, was den prozentualen Anteil der Teilzeitbeschäftigten angeht. Wie sich unschwer erraten lässt, stellt die Familie den häufigsten Grund für einen Teilzeitjob dar.

Andere Daten des Bundesamts für Statistik (BFS, 2015) belegen, dass 44,6% aller Arbeitnehmer in der Schweiz eine bestimmte Form zeitlicher Flexibilität nutzen. Interessanterweise sind zumeist Arbeitnehmer mit Hochschulabschluss flexibel beschäftigt – ein Indiz dafür, dass die Flexibilisierung der Arbeit mittlerweile in alle Branchen und Qualifikationsstufen vorgedrungen ist.

Räumliche Flexibilität schliesst Arbeitsformen ein, in deren Rahmen der Arbeitnehmer nicht mehr am üblichen Arbeitsort tätig ist. Bekannte Beispiele sind Geschäftsreisen. Doch die gegenwärtig meistverbreitete Form betrifft ohne Zweifel die Arbeit von zu Hause aus. Ein weiteres Phänomen aus jüngerer Zeit ist das Arbeiten auf dem täglichen Arbeitsweg. Die erhöhte Mobilität der heutigen Bevölkerung trägt aktiv zur Dezentralisierung unserer Arbeit bei. Denke hierbei nur an dein eigenes Umfeld: Wie viele Leute kennst du, die in einem Café, einem Coworking Space, ja sogar in freier Natur oder vom Strand aus arbeiten?

Finanzielle Flexibilität schliesslich bezeichnet die Anpassung von Löhnen und Nebenleistungen, um Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen. Die Paradebeispiele in dieser Hinsicht sind Verkaufsprovisionen und Prämien zum Jahresende.

Auch wenn du möglicherweise noch nie etwas von zeitlicher, funktionaler oder räumlicher Flexibilität gehört hast, ist es nicht unwahrscheinlich, dass du das ein oder andere Beispiel bereits am Arbeitsplatz erlebt hast. Wie du siehst, ist flexible Beschäftigung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Vorteilen verbunden. Das Nonplusultra tritt ein, wenn die Zusammenarbeit beiden Seiten gleichzeitig zum Vorteil gereicht.


Über den Author
Viktor Calabrò ist Gründer und Executive Chairman von Coople. Er ist ebenfalls Mitautor des Buchs Flexible Workforce und wurde 2014 von Ernst & Young zum Schweizer Unternehmer des Jahres gekürt.
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